Sian Griffiths

Feines Reiten und mehr als 11.000 Kilometer in der Wertung – ein Interview mit Sian Griffiths. Die Engländerin mit dem Faible für Araber betreibt in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit Nicola Scheurle das Distanzreitzentrum.

 

Sian Griffiths, Foto: Mirja Rößner

Sian Griffiths, Foto: Mirja Rößner

 

Mirja: Gibt es besondere Merkmale, an denen Du ein junges Pferd schon vor dem Einreiten als „Top-Distanzpferd“ erkennst?

Sian: Aber klar. Zum einen ist da natürlich das Gebäude: ein athletischer, leichter Körperbau, lange Beine, kräftige Gelenke, eine gute Hufstellung: nicht zu breite, flache Hufe. Ein gutes Distanzpferd ist ein wenig windhundartig gebaut mit einem gut angesetzten Hals und flacher Muskulatur. Es ist schwer, ein Pferd mit zu viel Veranlagung für dicke, kräftige Muskeln umzutrainieren, deshalb achte ich da auch besonders drauf. Das Exterieur ist aber nur ein Teil. Wichtig ist vor allem das Interieur. Es gutes Distanzpferd ist nicht immer ganz einfach im Temperament, denn es soll Laufwillen, Ehrgeiz und Kampfwillen haben. Gerade letzterer macht es aber nicht immer ganz einfach. Solche Pferde stellen die Autorität häufiger in Frage. Sie geben nicht so leicht auf. Gerade diese Ausdauer ist es ja, die ich haben will, nur kann das Pferd schließlich genauso gut gegen, wie mit dem Reiter kämpfen. Ein gutes Distanzpferd bringt all diese Veranlagungen mit, und wenn es dann noch ein gutes, starkes Herz hat, kann man einen Hochleistungssportler daraus machen. Vieles kann man durch Training erreichen, den Laufwillen muss das Pferd jedoch mitbringen.

Mirja: Was empfiehlst Du, wenn ein auf Distanzleistung gezogener Araber keinen Spaß am Laufen hat?

Sian: Das hängt davon ab, wo die Ursache liegt. Einfach mangelnde Eignung, also der Laufwille ist nicht da, das Pferd läuft auch in der Gruppe am liebsten hinten oder hinterher? Ist es bei jedem Galopp, selbst in der Gruppe, eher langsam und will eben nicht gerne viel tun? Dann tut man sich und dem Pferd einen größeren Gefallen, es als Freizeitpferd zu verkaufen. Ein Distanzpferd braucht Biss! Hat es den nicht, wird es kein gutes Distanzpferd werden.  Ist das nicht die Ursache, dann muss man  erst mal folgende Faktoren durchgehen: körperliche Probleme, falsche Ausbildung, fortgesetzte Überforderung, Vertrauensverlust, falscher Beschlag, Fütterung oder Haltung? Sehr, sehr häufig ist eine falsche Ausbildung, fehlerhaftes Reiten und somit eine Überforderung die Ursache. Dies lässt sich aber korrigieren. Jedes Pferd hat seinen inneren Tiefpunkt auf einer Strecke. Wenn man um diesen weiß, muss das Pferd eben lernen, ihn zu überwinden. Eventuell wechselt man die Gangart: schneller oder langsamer, lässt es mal etwas grasen oder trainiert bewusst auf einem Wettkampf mit anderen Pferden zusammen an diesem Problem, andere Pferde ziehen bekanntlich. Im Training viel Abwechslung schaffen, auch mal schnell-langsam abwechseln, anderes Gelände, unterschiedliche Positionen. Wie gesagt, es hängt von der Ursache ab, und da gibt es eben viele.

Mirja: Welches war Dein persönlich schönstes Distanz-Erlebnis? 

Sian: Es sind recht viele. Besonders schön war es, als auf meinem letzten Hundertmeiler, dem CEI*** in Mols, mein 18-jähriger Piove den BC gewonnen hat, mir unglaublich viele Tierärzte, Zuschauer und Mitreiter dazu gratulierten und alle den Kopf schüttelten, dass Pio schon 18 ist. Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn das ist mein Ziel: das Pferd, gesund lange Jahre optimal durch den Wettkampf zu bringen. Da zählt für mich ein BC mehr als jeder Sieg!

Mirja: Was war Dein größter Irrtum im Sport?

Sian: Einmal ein Pferd zu überfordern. Auf einem Hundertmeiler, bei dem ich mir ganz sicher war, dass mein Pferd gut genug trainiert war. Ich habe ihn die letzten 20 Kilometer sehr treiben müssen, und im Ziel kam er nur gerade so mal in der Zeit mit dem Puls runter und hatte ein    hörbares Herzgeräusch. Ich habe ihn danach in der Klinik untersuchen lassen und es stellte sich eine angeborene Pulmonalklappenstenose heraus. Klar habe ich davon nichts gewusst, aber er hat mir so deutlich gesagt, dass er nicht mehr kann. Ich hätte darauf hören müssen. So einen Fehler will ich nie wieder begehen!

Mirja: Was würdest Du in Deinem nächsten Distanzleben anders/besser machen?

Sian: Vieles. Nur lernt man auch jetzt immer noch dazu. Manche Fehler macht man dann nicht wieder, manche erkennt man erst später. Man sammelt bei jedem Ritt neue Erfahrungen, also fürchte ich, ich würde in einem neuen Distanzleben auch weiter lernen müssen. Ich wäre mutiger, was Training und Tempo angehen würde, denn ich weiß jetzt eher, wie leistungsfähig Pferde sind. Früher war ich da wesentlich vorsichtiger.

Mirja: Welchen Rat würdest Du Einsteigern mitgeben?

Sian: Lernen, zuhören, hinterfragen und auf gar keinen Fall sich von den Erfolgen blenden lassen. Weder den eigenen auf den kurzen Strecken, noch von anderen. Wenn das Pferd den ersten Hundertmeiler gesund absolviert hat, erst dann hat man Erfahrungen gesammelt, auf die man stolz sein kann. Zu viele legen zu schnell los und die Pferde laborieren dann an Folgeschäden. Langsam, ruhig aufbauen und warten. Erfolg kommt aus einer soliden Grundlage an Training, Ausbildung und Gymnastizierung.

Mirja: Und welchen Rat erfahrenen Reitern?

Sian: Verständnis für andere, unerfahrenere Reiter aufbringen. Mit Rat und Tat zur Seite stehen – zum Wohl der Pferde. Auch mal über den eigenen Tellerrand hinwegsehen, lernen, verbessern, aufs Pferd hören. Sich nicht auf ein Podest stellen und auf andere hinab sehen. Geteiltes Wissen dient in erster Linie den Pferden. Wenn nur ein paar mehr davon gesund aus dem Sport gehen, haben wir viel erreicht.

 

Sian Griffiths, Foto: Mirja Rößner

Sian Griffiths, Foto: Mirja Rößner