von Mirja Rößner
2.000 Kilometer waren eigentlich das Ziel von Shaun Armstrong-Arndt, die mit ihrem Appaloosa Chico Chocolat Chip wohl der Shooting-Star der Saison ist.
Im Schlaupferd-Ranking lag sie fast die ganze Zeit unschlagbar an der Spitze und addierte permanent neue Kilometer hinzu. Fast nur auf langen Strecken war das Paar unterwegs. Tatsächlich gab es aber doch noch ein paar „Mehrgerittene“, so dass Shaun und Chico in diesem Jahr „nur“ diverse 2. Plätze abräumten: einen beim Norddeutschen Championat, einen beim Langstreckenpreis, einen beim VDD-Championat und einen beim weltweiten Appaloosa-Endurance-Ranking!
Shaun, Du bist 1.803 Kilometer in diesem Jahr geritten – mit einem Pferd! Hat es das zuvor schon einmal gegeben?
Soviel ich weiß, hat es das noch nicht gegeben. Der Rekord beim VDD-Championat liegt bei 1764 km (Caroline Luley mit Ajax im Jahr 2009).
Oft hattest Du zwischen den Langstrecken gar nicht so viel Pause – wie steckt Dein Chico das weg?
Als er ein „Hundertmeiler“ wurde (wir sind damals mit Dir zusammen die Heide geritten), hatte Chico vier Wochen Pause. Nach jedem Ritt hat er sonst im Regelfall mindestens zwei Wochen Pause. Wir haben den Eindruck, dass er sich, wenn er in seinen Offenstall zurückkehrt, über seine Herde freut und topfit wirkt. Er hat dann erst einmal absolute Ruhe, also reitfreieZeit. Dann wird er nur mäßig trainiert. Er ist ein gepunktetes Pferd (siehe unten) und besitzt die Gabe, sofort nach Anstrengungen herunter zu fahren und seine Kräfte zu schonen. Er regeneriert sich blitzschnell, sogar auf der Strecke.
Hattest Du in der Vorbereitung einen bestimmten Trainingsplan oder eine Idee beziehungsweise ein Saisonziel?
Also zum Saisonziel. Wir wollten erstmals 120 km reiten. Deshalb sind wir bereits im März gestartet, da es in dieser Zeit nicht so warm ist für ein Nordpferd. Bei 90 km ist er mit mir durchgegangen. Da merkte ich, dass einiges an „Energiereserven“ vorhanden ist und wir haben die 120 km voll gemacht und gleichzeitig mit Yvonne Kirchvogel den ersten Platz erzielt. So hatten wir im März unser Saisonziel bereits erreicht. Alles andere ergab sich. Ein Ritt an der Nordsee und die Überlegung 160 km in der Heide anzugehen. Zu unserem Trainingsplan. Wir haben Chico gut über den Winter gebracht, weil ich oft in der Halle geritten bin und Reitunterricht bei unserem Trainer Ralf Hesselschwerdt hatte. Unsere Saison fing mit einem verspäteten Nikolausritt im Februar an, danach bildeten die Distanzritte den Rahmen des Trainigsprogramms.
Was planst Du im nächsten Jahr mit Chico?
Lach! Ich habe gerade den letzten Ritt hinter mir und möchte den Nikolausritt dieses Jahr einmal im Dezember machen! Aber ehrlich gesagt, wir wissen es noch nicht. Zum einen möchten wir ein paar der schönsten Ritte des letzten Jahres noch einmal reiten. Und dann neue Ritte, die wir noch nicht kennen, erleben. Darüber hinaus würden wir gerne mal ins Ausland gehen, um zu sehen, wie dort geritten wird und unsere Erfahrungen erweitern. Das würden wir gerne mit einem Urlaub verbinden, der dieses Jahr irgendwo auf der Strecke geblieben ist.
Was kannst Du nach dieser Saison Einsteigern mit auf den Weg geben? Würdest Du rückblickend etwas anders machen?
Wieder zwei Fragen! Distanzreiten ist von allen Reitsportarten derzeit diejenige, die den größten Zuspruch genießt. Einsteiger sollten einen Einführungsritt, eventuell mit einem Seminar verbunden, absolvieren. Auch sollten sie überlegen, ob sie als Reiter körperlich in der Lage sind, diese Herausforderung anzunehmen und über einen Ausgleichsport ihre Fitness trainieren. Auch wenn die Erwartungen von außen noch so groß sind, es bleibt der Grundsatz: Angekommen ist gewonnen ! Wenn wir in unseren Westernstall zurück kommen, ist die erste Frage: Welchen Platz hattet ihr? Und das ist einfach nicht wichtig! Auch der schönste Pokal nicht! Die Gesundheit des Pferdeskommt immer vor einem Pokal. Wer glaubt, nach einem 40 km Ritt und toller Platzierung ein Distanzreiter zu sein, hat noch eine lange Strecke vor sich. Auch sollte man auf die Erfahrung der Distanzreiter hören, was die Ausrüstung betrifft, um dort nicht zu viel Lehrgeld zu bezahlen (siehe Distanzreiten Nr. 3 und die Erfahrungsberichte von Anna-Lena Weiershäuser). Per Zufall stimmen ihre Ergebnisse mit meinen Erfahrungen völlig überein. Aber das ist wohl kein Zufall, sondern eben die Erfahrung auf der langen Distanzstrecke, in meiner Muttersprache: Real Endurance.
Und jetzt noch meine „ganz persönliche Herzensfrage“: Was ist für Dich das Tolle an gefleckten/gescheckten Pferden?
Gepunktete Pferde verfügen über Ausdauer, Leistungsbereitschaft sowie Ruhe und Gelassenheit. Ihre Zeichnung ist eine Urfarbe des Pferdes und bereits in über 20.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Peche Merle in Frankreich zu sehen. Die Chromagnon-Steinzeitjäger verehrten die getigerten Pferde und schrieben ihnen mystische Kräfte zu. Vermutlich waren die Punkte eine Tarnfarbe. Wenn Chico Chocolate Chip eine Langstrecke gelaufen ist, verfällt er sofort in eine Ruhephase und regeneriert sich sehr schnell. Als wir einmal unmittelbar nach dem Zieleinlauf eines 100 km Ritts den Puls messen lassen wollten, sagte ein bekannter Tierarzt, dass wir noch 20 Minuten Zeit hätten und ob wir es wirklich wollten. Wir haben ihn sofort messen lassen: Puls 44. Er war sehr überrascht.