von Barbara Welter-Böller
In der Humanmedizin sind Physiotherapie und Osteopathie schon lange ein fester Bestandteil in der Prävention und Rehabilitation von Patienten sowie in der begleitenden Betreuung von Sportlern.
Seit ca. 15 Jahren werden diese Therapien mit großem Erfolg auch bei Pferden angewandt.
Wann ist eine physiotherapeutische oder osteopathische Behandlung für ein Pferd sinnvoll?
Der häufigste Einsatzbereich ist, wenn Pferde Widersetzlichkeiten oder Leistungsabfall zeigen, welchen keine, vom Tierarzt zu behandelnden Ursachen zugrunde liegen. Der Reiter spürt z. B., dass sein Pferd den Sprung nicht mehr so anzieht, dass es sich auf einer Hand mit Biegung und /oder Stellung schwer tut, dass es falsch angaloppiert oder durchgeht. Oder aber es buckelt auf einmal bei einer Galopphilfe, ist unruhig beim Satteln, schwitzt schneller. Die Ursachen dieser Rittigkeitsprobleme sind zu diesem Zeitpunkt nicht mit Röntgenbild oder Blutbild fassbar, der Reiter aber merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Trainer und Bereiter können die Symptome vielleicht beherrschen, aber Schmelz, Losgelassenheit und Ausdruck des Pferdes schwinden. Die Funktion des Pferdes ist gestört, irgendwo „klemmt“ es. An diesem Punkt können Osteopathie und Physiotherapie weiterhelfen.
Der Unwilligkeit des Pferdes können folgende Ursachen zugrunde liegen:
• Probleme in den Wirbelgelenken oder den Gelenken der Gliedmaßen – sie werden fälschlicherweise oft als „Blockaden“ bezeichnet.
• Muskelverletzungen, -verhärtungen und -verkürzungen.
• Falsche Ausrüstung – hier ist es leider oft der unpassende Sattel, der es dem Pferd schwer macht.
• Falsche Fütterung – ist sie zu blähend, kann das Pferd sich nicht biegen und geht oft gegen den Schenkel.
• Verbrauchendes, überforderndes Training.
Hier kann der Pferdephysiotherapuet/-osteopath helfen.
Wie sieht eine sorgfältige Befundung und Behandlung aus?
Die Vorgeschichte oder Anamnese des Pferdes wird erhoben, danach das Pferd in seiner Gesamtheit betrachtet, psychische und körperliche Verfassung, Exterieur, Gliedmaßenstellung und eventuell verletzungsbedingte Auffälligkeiten erfasst.
Nach der Ganganalyse wird das Pferd an der Longe und wenn möglich und nötig unter dem Reiter vorgestellt. Anschließend folgt die Palpation, wobei das Pferd sorgfältig abgetastet wird, um knöcherne, muskuläre und andere Gewebsveränderungen aufzufinden. Alle Gelenke werden auf Schmerzhaftigkeit und Beweglichkeit getestet, die Zähne sowie das gesamte Equipment überprüft.
Die anschließende physiotherapeutische/osteopathische Behandlung behebt die Gelenkprobleme, Massagen und Weichteiltechniken lösen die verspannte Muskulatur. Begleitend können Wärme-, Laser-, Elektro- und Magnetfeldtherapie eingesetzt werden. Der Behandlungserfolg wird durch einen individuellen Trainingsplan und Managementänderung, z. B. Sattelkorrektur, stabilisiert. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Rehabilitation von Pferden nach Verletzungen. Hier wird eng mit dem behandelnden Tierarzt zusammengearbeitet, um z. B. bei Sehnenproblemen oder Muskelverletzungen die Heilung zu unterstützen und ein funktionell gutes Ergebnis zu erzielen.
Abschließend noch einige klärende Worte zu dem Berufsbild „Pferdephysiotherapeut/-osteopath“. Es handelt sich dabei nicht um einen staatlich anerkannten Beruf. Daher empfehle ich meinen Teilnehmern auch immer, diese Tätigkeit zunächst berufsbegleitend auszuüben und erst bei steigenden Kundenzahlen in die Selbständigkeit zu gehen. Ausgebildet werden je nach Schule Trainer, Reiter, Tierheilpraktiker, Human- Physiotherapeuten und Tierärzte. Es gibt viele verwirrende Berufsbezeichnungen : Pferdetherapeut, Pferdephysiotherapeut, Osteopath, Osteotherapeut, Chiropraktiker usw. Die physiotherapeutische und osteopathische Behandlung unterscheidet sich beim Pferd kaum. Im Humanbereich zeichnet sich die Osteopathie vor allem dadurch aus, dass innere Organe, wie Leber, Niere, Darm behandelt werden. Diese Organe sind aber beim Pferd der manuellen Therapie nicht direkt zugänglich und so beschränken sich hier Osteopathie und Physiotherapie auf die Behandlung des Bewegungsapparates.
Wie findet man einen guten Therapeuten?
Kein Abschluss einer Schule kann garantieren, dass der Absolvent danach gewissenhaft arbeitet. Ich rate immer, sich die Behandlung eines Therapeuten erst einmal anzusehen und auf die Mundpropaganda zu hören, ehe man sein Pferd von ihm behandeln lässt. Empfindet man den Umgang des Therapeuten mit Pferd und Besitzer für sich selbst unpassend, so sollte man weitersuchen.
Bringen Sie sich und Ihr Pferd nicht in eine Situation, die Stress und Unbehagen bei Ihnen beiden erzeugt. Es sollte eine angenehme, kompetente, respektvolle und ruhige Atmosphäre zwischen Therapeut, Pferd und Besitzer sein, dann kann Ihrem Pferd gut geholfen werden.