Als ich letztens einem Reitmädel erklärte, dass dieser Berg hübscher gelber Blumen zur Verbrennung bereit läge, weil sie hochgiftig für unsere Pferde sind, schaute mich deren Mutter völlig entgeistert an: „Aber die haben wir doch schon immer für die Vase gepflückt! Wie können die denn giftig sein?“
Soviel zu dem, was an Wissen über diese „hübsche Blume“ in der Allgemeinbevölkerung bekannt ist. So unwissend dürfen wir als Pferdebesitzer nicht sein.
Das von Juni bis September gelb blühende Jakobskreuzkraut (JKK) wird in der Regel ca. 30 bis 120 cm hoch. Da die Pflanze erst in ihrem zweiten Vegetationsjahr zur Blüte kommt, ist sie vorher sehr unscheinbar. Zunächst bilden sich rundliche, nur ganz leicht gefiederte Blätter die später zu einer Rosette aus stark gefiederten Blättern werden. Erst wenn diese Rosette dann in die Höhe wächst und sich die charakteristischen 15 bis 20 mm breiten körbchenförmigen Blüten bilden, wird die Pflanze auffällig.
Die gesamte Pflanze des Jakobskreuzkrautes ist stark giftig, besonders jedoch die junge Pflanze und die Blüten. Die Hauptwirkstoffe sind so genannte Pyrrolizidinalkaloide (PA), von denen organotoxische, insbesondere hepatoxische Wirkungen bekannt sind. Im Tierexperiment konnten auch Kontaktallergien gezeigt werden. PA sind auch im getrockneten Kraut noch wirksam.
Unsere Pferde nehmen diese giftige Pflanze in der Regel über das Heu auf. In getrocknetem Zustand gehen typischer Eigengeruch und Bitterkeit verloren.
Auf der Weide werden die blühenden Pflanzen normalerweise gemieden.
Im Rosettenstadium enthalten die jungen Triebe für 6 bis 7 Wochen noch keine Geruchs- und Bitterstoffe. Daher wird das JKK in diesem Stadium zumeist von Jungtieren und/oder bei starker Überweidung aus Grasmangel aufgenommen.
Die Überlebensstrategie der Pflanze setzt auf verschiedene Techniken.
Eine einmal angefressene oder abgemähte Pflanze reagiert mit stärkerem Austreiben und hundertfach erhöhtem PA-Gehalt.
Beim Schnitt zum Blüte- oder Vorblütezeitpunkt kommt es zu einer Notreife. Das bedeutet, dass die Samen innerhalb von wenigen Stunden bis zu einigen Tagen weiterhin gebildet werden.
Eine Pflanze kann bis zu 150.000 Samen bilden, die 16 bis 20 Jahre der Vergärung und Verrottung trotzen.
Vernichten lässt sich das JKK zunächst mal durch manuelles Ausstechen und Verbrennen der gesamten Pflanze. Die normale Kompostierung ist zu vermeiden, da Wurzelstöcke austreiben können und die Samen dort nicht verrotten.
Die Entsorgung über Biogasanlagen scheint eine wirkungsvolle Möglichkeit zu sein.
Mit chemischen Mitteln kann der Landwirt (Spritzmittelverordnung einhalten!) der Pflanze zwar zu Leibe rücken, entsorgen muss er die abgestorbenen Pflanzen aber dennoch. Die im Boden verbleibenden Wurzeln und Samen werden wieder austreiben.
(von Melanie Viell)
Copyright der Bilder mit freundlicher Genehmigung von „Arbeitskreis Jakobskreuzkraut e.V.“ Auf der Webseite des Arbeitskreises www.ak-kreuzkraut.de findet der interessierte Leser viele weitere detaillierte Informationen, Flyer, Infoblätter, Aufkleber und sogar eine Power-Point-Präsentation zum Thema JKK.
Pyrrolizidinalkaloide
Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) sind im Pflanzenreich weit verbreitet. Ihr Hauptvorkommen liegt in den Pflanzenfamilien Korbblütler; Raublattbewächse und Schmetterlingsblütler. Die PA liegen in strukturell verschiedenen Verbindungen vor, welche die verschiedenen toxischen Nebenwirkungen bestimmen. Die PA selber zeigen keine oder nur geringe akute Toxizität. Sie werden jedoch im Organismus zu den eigentlich toxischen Verbindungen metabolisiert (verstoffwechselt).
Da dieser Prozess in der Leber abläuft, ist dieses Organ am auffälligsten betroffen und die Leberwerte entsprechend verändert.
Da Pferde sehr empfindlich auf PA reagieren, ist der verträgliche Grenzwert schnell überschritten und wir finden bei ihnen eine akute oder durch Anreicherung langsam fortschreitende chronische Vergiftung mit Schädigung der Leber und des Nervensystems vor. Symptome, die auftreten können, sind z. B.
- nachlassende Kondition
- Depression, Teilnahmslosigkeit, im Endstadium Tobsucht
- Wesensänderungen im Allgemeinen
- Kolik, kolikartige Beschwerden, Verstopfung oder blutiger Durchfall
- Gewichtsverlust
- Lecksucht
- häufiges Gähnen
- Schwellungen, Rötungen an Abzeichen (Gesicht, Fesseln)
- toxische Hufrehe
- Photosensibilität, Sonnenbrand
- Haarausfall bis hin zu großflächigen Hautablösungen
- zielloses Wandern (walking desease)
- unkoordinierte Bewegungen
- Gelbfärbung der Lidbindehäute
- Blindheit
- hepatitisches Koma
Insgesamt ist die Vergiftung schwer zu diagnostizieren und führt häufig nach Tagen bis Monaten zum Tod des betroffenen Tieres. Eine symptomatische Behandlung mit viel Ruhe und selbstverständlich PA freiem Futter kann versucht werden. Der Einsatz der Mariendistel hat sich in Einzelfällen als erfolgreich gezeigt.