von Dorothee Krüll
Wir brauchen ein anderes Hobby!“ so hieß es unisono beim Klang der Wecker um 3:45h, die uns unsanft aus dem Schlaf rissen. Susanne Polzin hatte zu ihrer ersten Eifeldistanz auf dem Gelände der Islandpferdereiter in Roderath eingeladen. Die „Prominenz“ des Rheinlandes war gefolgt und startete auf Streckenlängen von 120, 90, 80 und 40 km. Im Morgengrauen ritten die einzigen beiden Starterinnen des 120km-Wettbewerbs, Meyke Kalms und Martina Brunner mit ihren bewährten Pferden Sonrisa del Sol und Cento Lui los, gefolgt von mir, der einzigen 120 km-Fahrerin. Wie auch die Starter der 90 und 80 km Ritte gingen wir zunächst auf die erste, 40 km lange Runde. Sie führte uns zunächst mit reichlich Gefälle ins Tal, wo wir nach einer Straßenüberquerung auf einen wunderschönen Kringel rund um Gilsdorf abbogen. Die Strecke bestand dort überwiegend aus Wiesenwegen, die abwechselnd durch gelbe Getreidefelder und kleine Wälder führten. Für spektakuläre Beleuchtung der Szenerie sorgte der Sonnenaufgang vor dem noch dunkelblauen Himmel, der mit dem sich sanft im Wind wiegenden Korn einen herrlichen Kontrast bildete. So, genug der Schwärmereien, die Runde war sehr hübsch, aus fahrerischer Sicht jedoch durch entweder wurzelige oder ungemähte Wege, kombiniert mit teils starkem Quergefälle, sehr anspruchsvoll. Nach Vollendung dieses Kringels führte die Strecke wieder auf befestigten Wegen in den Wald hinein. Frohen Mutes freuten wir uns über das einfache Geläuf mit einem sanften Anstieg, als wir die nächste Abbiegung erspähten und dort eine laufenswerte Steigung vorfanden. Hossa! Die nächsten km jedoch entschädigten dafür, denn die Strecke führte auf guten Wegen mit relativ wenig Höhenmetern zunächst durch den Trot-By, wo wir im Vorbeitraben ein Lächeln von Tierärztin Claudia Zerlik ernteten, um dann bald auf sehr harmonisch und flott zu reitende/fahrende Wiesenwege abzubiegen. Auf diesen machten wir noch einen kleinen Schlenker rund um Roderath und bogen dann in die erste Pause ein. Das Vet-Gate war professionell und angelehnt an den Ablauf internationaler Vet-Gates aufgebaut. Für die Zeitmessung hatte Susanne extra aus Österreich Harald Grinschgl eingeflogen, der sich ein tolles System ausgedacht hat: Jeder Reiter bekommt vor dem Ritt eine kleine laminierte Karte mit einem Strichcode. Dieses Kärtchen ist nun alles, was man unterwegs abgeben muss, es gibt also keine nervigen Rennereien wegen kleiner grüner Zettelchen mehr. Bei der Ankunft wird das Kärtchen kurz auf einen Scanner gelegt, man bekommt es sofort zurück und geht in die Crewing Area, und an der In-Time wird genauso verfahren. Hier bekommt man sogar einen Bon, auf dem die Länge der letzten Runde sowie die Durchschnittsgeschwindigkeit steht! – Super! – So spart man sich im Kampf gegen die Höchstzeit wertvolle Hirnleistung bzw. kann als sportlicher Reiter bestimmt auch einen Nutzen daraus ziehen… Das Zeitmess-System funktionierte tadellos und überzeugte auch uns Schmusereiter/-fahrer durch seine Schnelligkeit und Präzision – eine tolle Erfindung. Untersucht wurden die Pferde von Juliette Mallison und Claudia Zerlik, genau wie die Zeitmesser aus Österreich Profis auf ihrem Gebiet, und nach bestandener Untersuchung und einer sehr angenehmen Pausenlänge von immer 40-50 Minuten ging es wieder über die Rennpassbahn hinaus aus dem Gate. Nun folgte für die langen Strecken eine 20km-Runde, die gleichzeitig die erste Runde für die Starter des 40 km-Wettbewerbes war. Wieder ging es reichlich abwärts ins Tal, auf den Gilsdorf-Kringel, für den ich als körperlich und nervlich schon zu diesem Zeitpunkt belastete Fahrerin nur die wüstesten Verwünschungen übrig hatte, und dann die laufenswerte Steigung hinauf. Danach führte diese Runde auf einer etwas anderen Streckenführung als der vorherigen relativ zügig zurück nach Roderath. Die nächste 20 km-Runde, auch Pflicht-Teil für alle Strecken, war die schönste: Hier durften wir ca. die Hälfte der Runde auf herrlichen und flott zu reitenden/fahrenden Graswegen ohne nennenswerte Steigungen oder Gefälle gehen. Welch Euphorie machte sich breit! Welch Freude! Kurz darauf mussten wir wieder durch den Wald klettern… aber immerhin konnten die Pferde sich vorher etwas strecken und durchatmen. Die 80- und 40 km-Reiter waren nach dieser Runde im Ziel; die 90er mussten noch einmal auf eine 10 km-Runde, die wohl hauptsächlich aus einem langen Gefälle zu Anfang und einer langen Steigung zum Ende hin bestand; und die bedauernswerten beiden 120km-Reiter mussten noch einmal die erste 20er- sowie die 10 km-Runde gehen. Leider schaffte es auf der 40 km-Fahrt keiner der beiden Fahrer ins Ziel; sie hatten sich wohl verfahren und dann aufgegeben. Mich ereilte nach dem Start auf die dritte 20 km-Runde das Aus in Form eines völlig platten Sulkys und da ich das Reserverad auch schon hatte einsetzen müssen, blieb mir keine Wahl mehr. Wirklich böse war ich jedoch nicht darum, denn durch vorangegangene Unwetter mit ergiebigen Regengüssen waren die Wege sehr ausgewaschen und überwiegend steinig bis geröllig. Dies kombiniert mit den für mich Flachländer reichlichen Höhenmetern machte einem das Leben recht schwer. Die Eifeldistanz ist die anspruchvollste Distanz, die ich je gegangen bin. Organisatorisch ist es jedoch auch eine der besten Distanzen, die ich je gegangen bin: Susanne und ihr Helferteam waren unermüdlich im Einsatz und haben es geschafft, schon beim ersten Anlauf eine CEI-würdige Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Hervorragendes Catering durch Jonel mit seinem Café-Mobil und abendliche Beschallung machten die Veranstaltung fast schon zu einem kleinen Festival. Im Vet-Gate und dem Paddockareal gab es überall Wasser, Gras und kurze Fußwege – ganz so, wie man sich das wünscht. Die Strecke war schwierig, aber schön, und man merkte ihr sowie der hervorragenden Markierung nicht an, dass sie nur ein paar Stunden alt war – ursprünglich sollte der Streckenverlauf ganz anders sein, wenn da nicht die Unwetter gewesen wären… Am nächsten Tag versammelten wir uns zur Siegerehrung mit Pferd, wo auch die Konditionspreise für den 90- und den 120 km-Wettbewerb vergeben wurden. Beim 90 km-Ritt überzeugte „Seven Up“ von Franz Brück und beim 120 km-Ritt „Sonrisa del Sol“ von Meyke Kalms durch eine hervorragende Verfassung. Und an dieser Stelle eine Bitte: Bitte, liebe Susanne, veranstalte auch weiterhin national, und schreibe auch weiterhin eine gemütliche Höchstzeit aus, denn damit schaffst du einen Ritt, der die Brücke zwischen Leistungs- und Breitensport schafft. Und nein: wir brauchen kein anderes Hobby. Wir haben schon das Richtige!