Check-Karte Rücken, Gurtlage und Muskeltonus

Während die metabolischen Parameter etwas über den Zustand des gesamten Körpers aussagen, sind die nicht metabolischen dazu geeignet, den Zustand von Körperteilen oder einzelnen Organsystemen zu ergründen. Hier im folgenden also der Rücken und die Gurtlage (I). Im Vordergrund stehen nicht chemische, sondern mechanische Wirkungen der Belastung. Der Betrachtung des Muskeltonus (II) fällt dabei eine sehr wichtige intermediäre Rolle zu.

von Melanie Viell

 

 

 

Notation zu I und II
In der Checkkarte sind in einer Spalte die Beurteilungen vom Rücken und der Gurtlage zusammengefasst, in einer weiteren wird der Muskeltonus beurteilt.
In beiden Spalten erfolgt die Beurteilung durch eine Buchstabennotation. Das „A“ kennzeichnet einen normalen und unauffälligen Zustand, das „B“ weist darauf hin, dass der Zustand zu beobachten ist, weil kleinere Abweichungen vom Normalzustand sichtbar sind, und ein „C“ trägt der Tierarzt ein, wenn er davon ausgehen muss, dass das Pferd unter Schmerzen leidet und vom Ritt zu eliminieren ist.

 

I. Rücken und Gurtlage
Diese sind nur im abgesattelten Zustand vollständig zu beurteilen. Da aber nicht in jeder Verfassungskontrolle abgesattelt werden muss, findet sich in dieser Spalte auch mal ein einfacher Strich oder das Feld bleibt leer.

Eine Schmerzhaftigkeit des Rückens ermittelt der Tierarzt durch Druck rechts und links der Dornfortsätze. Zieht das Pferd den Rücken nach unten, so ist zwar klar, dass Schmerzen vorliegen, deren Ursache kann aber vielfältige Gründe und Ursachen wie z.B. Lahmheiten, Bauchschmerzen, Verspannungen, unpassender Sattel etc. haben. Eine genauere Beurteilung lässt sich dann nur im Zusammenhang der Gesamtuntersuchung vornehmen.

Ebenfalls adspektorisch und palpatorisch spürt der Tierarzt Schäden an Ober- und Unterhautgewebe auf. Diese können sich durch Schwellungen, Hitze, haarlose oder sogar offene, wunde Stellen äußern und sind je nach Grad der Schädigung auch von einem Laien leicht zu erkennen. In der Regel entstehen diese Schäden besonders häufig in der Zeit des Fellwechsels, durch unpassende Ausrüstung und sind während eines Rittes nicht zu beheben. Weniger festes oder verstärktes Gurten, ein Wechsel der Sattelunterlage, des Sattelgurtes oder sogar des ganzen Sattels kann aber weitergehende Veränderungen stoppen und/oder sogar eine durch schmerzhaften Gurtdruck verursachte Lahmheit verhindern. Bei lokalen Schwellungen können kurzzeitige Eisanwendungen eine Hilfe sein. Der Tierarzt kann auch die Erlaubnis zum Gebrauch von Melkfett oder einer milden Hautsalbe erteilen, wenn die betroffenen Stellen nicht erkennbar schmerzhaft sind.

 

II. Muskeltonus 

Den Muskeltonus erspürt der Tierarzt an verschiedenen Stellen des Pferdekörpers. Er ist ein Indikator für schmerzhafte Zustände des Bewegungsapparates und der inneren Organe, verändert sich aber auch aufgrund nicht schmerzhafter metabolischer Probleme.

Die Bilder zeigen M. Grell beim Abtasten des dreiköpfigen Schultermuskels (M. triceps), des langen Rückenmuskels (M. longissimus dorsi) und der Sitzbeinmuskeln (M. semimembranosus und M. semitendinosus). Im Normalfall sind die Muskeln weich, aber nicht schlaff und das Gewebe lässt sich ohne Schmerzanzeichen des Pferdes mit geringem Druck „eindellen“; der Muskel gibt nach, die Finger sinken in den Muskel ein und der gesamte Muskel lässt sich „leicht rüttelnd bewegen“. Ist die Muskulatur fest, zittert die Haut beim Anfassen, weicht das Pferd dem Druck aus, oder zeigt es sonstige Anzeichen von Unwohlsein. Dann ist von einem erhöhten Muskeltonus und mindestens schon beginnender Schmerzhaftigkeit aus zu gehen, in schlimmeren Fällen ist mit einer ernsten Muskelerkrankung zu rechnen. Hierbei kann die Entzündung durch eine Schwellung der Muskulatur sogar optisch erkennbar sein.

Bei diesen Muskelerkrankungen differenziert man primäre und sekundäre Muskelerkrankungen. Die Primären sind direkt im Muskelstoffwechsel oder Allgemeinen Stoffwechsel (z.B. Wassermangel) begründet.

Die sekundären Muskelerkrankungen (meist lokal) sind Folgeerscheinungen anderer Erkrankungen z.B. erst Lahmheit, dann Muskelüberlastung um diese auszugleichen, oder aber einseitige Rückenbelastung durch schief sitzenden Reiter und/oder unpassenden Sattel.

Zum bekannten Tying up, einer klassischen belastungsbedingten Muskelerkrankung, kommt es, wenn das dargestellte labile Gleichgewichtsdreieck zwischen Sauerstoff, Energie und Durchblutung gestört ist. Es verdeutlicht, dass für die Muskelarbeit Sauerstoff, Energie  und eine funktionierende Durchblutung nötig sind. Führt der Reiter also während eines Rittes sein Pferd durch unregelmäßiges Tempo häufig in die Sauerstoffschuld, so sind Probleme dieser Art sehr wahrscheinlich.

Bei auffälligem Muskeltonus wird der Tierarzt in gering gradigen Fällen zum Eindecken, zu Massagen und passiven Dehnungen raten, um rein verspannungsartige Zustände zu verbessern. Von metabolischer Seite aus helfen Elektrolytgaben den Muskelstoffwechsel zu regulieren. Wer seinem Pferd im weiteren Verlauf des Rittes helfen will, die verspannte Muskulatur zu lockern, der reduziert das Tempo und reitet kurze Einheiten gymnastizierend mit Seitengängen, Gangartwechseln und generell in Biegung um die Ecken. Für den Muskelstoffwechsel sind ein gleichmäßiges moderates Tempo und die Verwendung einer Nierendecke von unschätzbarem Wert.

Beim Training zu Hause sollte sich der Reiter es zur Gewohnheit machen, beim Satteln und Absatteln genau hin zuschauen. Sommer- und Winterfell verlangen unter Umständen unterschiedliche Materialien, Formen und Stärken von Satteldecke und Sattelgurt und zeigen dies schon durch kleine Veränderungen in Haarkleid. Kleine Verschmutzungen oder auch die Verwendung eines hautreizenden Waschmittels können Vorschäden verursachen, die später beim Ritt möglicherweise zu Problemen führen.

Auch der Muskulatur sollte der Reiter nach dem Training seine Aufmerksamkeit  schenken. Es ist nicht schwer, einmal mit der Hand über das Pferd zu streichen und mit ein wenig Übung erkennt man schon bald, wie sich ein Muskel in Normalspannung anfühlt und wann man das Training vielleicht ein wenig härter gestaltet hat. <

 

SER RER PSSM
Auftreten und Verlauf Gelegentliches akut verlaufendes Geschehen Immer mal wiederkehrend und eher schleichend Chronisch, schleichend
Ursache und Auslöser Belastung nach Ruhetag.
Überlastung und Überversorgung mit Kohlehydraten
Veranlagungsbedingte Anfälligkeit gegenüber Stress und Überlastung. Hypernervosität und Stress; ungleichmäßige Arbeit mit extremen Spitzenbelastungen Stoffwechselstörung mit übermäßiger Einlagerung von Zucker in Muskulatur. Ganz normale Arbeit kann Symptome auslösen.
Therapie und Vorsorge Akute Notfallversorgung!
Gleichmäßig belasten, keine Überfütterung wenn nicht gearbeitet wird
Ggf. Notfallversorgung. Stressminimierung; Immer gleichmäßig und regelmäßig belasten; Kohlenhydrate in der Futterration z. T. durch Öle ersetzen, Vit E u. Selen zufüttern Immer gleichmäßig und regelmäßig belasten, möglichst viel Auslauf; Vit E u. Selen zufüttern; Kohlenhydrate in der Futterration z. T. durch Öle ersetzen

 


Kleines Lexikon der Fachbegriffe

intermediär: 
dazwischenliegend, hier im Sinne von verbindend, vermittelnd

adspektorisch: 
Untersuchung durch Betrachten

palpatorisch: 
Untersuchung durch Abtasten

Muskelerkrankungen: Verschlag, Tying-up und PSSM
Die Ursachen einer Muskelerkrankung sind unterschiedlicher Natur. Wir unterscheiden die sporadisch auftretende Form, Kreuzverschlag (SER – sporadic exertional rhabdomyolosys) von den chronischen Formen wiederkehrender belastungsbedingter Verschlag/Tying-up  (RER – Reccurent Exertionel Rhabdomyolysis), und der Kohlenhydratspeicherkrankheit (PSSM – Polysaccharid Storage Myopathie)