SANCHO – kleines Pferdchen mit ganz großem Herzen

4.128 Kilometer legte der nur 1,42 m kleine Hafloaraberwallach im Laufe seiner Distanzkarriere in der Wertung zurück und somit ist er das Pferd mit den zweitmeisten Wertungskilometern, das Österreich je hervorgebracht hat. Sancho ging bei fünf Championaten an den Start und beendete vier davon in der Wertung. Was an sich schon mehr als beeindruckend klingt, wird aber sogar noch übertroffen: in all den Jahren im Sport beendete er nur zwei (!) Ritte nicht in der Wertung und das Beste: Sancho ist trotz seines Alters von 28 Jahren noch immer unterm Sattel aktiv! Das soll ihm erst einmal einer nachmachen! Dabei war Sancho ursprünglich für ein völlig anderes Einsatzgebiet vorgesehen gewesen – aber wie heißt es so schön: erstens kommt es anders – und zweitens, als man denkt.

 

1995 kreuzten sich die Wege von Gabi Juritz und dem damals sechsjährigen Hafloaraberwallach Sancho. Der kleinwüchsige Fuchs kam zur Ausbildung in ihren Stall nach Ladinach, Kärnten, Österreich und sollte – bedingt durch seine geringe Größe – primär als Kinderpony zum Einsatz kommen. Sancho war damals im wahrsten Sinne des Wortes „atemlos“ von der Alm gekommen – was sich als großes Glück entpuppen sollte. Nach ein paar Einheiten als Kinderreitpony belehrte er Gabi bei den Ausritten eines Besseren…

Vielseitig einsetzbar
Sancho war immer sehr vielseitig einsetzbar: fast sein ganzes Leben lang verdiente er sich sein Futter als Schulpferd in meinem Reitbetrieb. Dort trug er seine Reiter durch Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitsstunden. Die Reitschüler absolvierten mit ihm die Prüfung zum Reiterpass und zur Reiternadel. Zwischendurch spannte ich ihn auch vor den Wagen oder setzte ihn zum Voltigieren ein“, erzählt Gabi Juritz. Auch an TREC-Bewerben nahm Sancho erfolgreich teil.

Je steiler bergauf, desto besser
1996 veränderte aber das Leben des kleinen Sancho. Als es ganz danach aussah, als könnte Kärnten keine Mannschaft für die Bundesländermannschaftsmeisterschaften im Distanzreiten stellen, obwohl diese in diesem Jahr in Kärnten ausgetragen wurden, begann Gabi, den kleinen Fuchswallach für den Ausdauerbewerb vorzubereiten. Sanchos Trainingsplan bestand vorwiegend aus Dressureinheiten, Springgymnastik sowie Arbeit über Cavaletti – und ab und an lief er auch im Rahmen von Ausritten die Berge hoch. Im Frühjahr 1996 startete er mit Gabi im Sattel seinen ersten 60-Kilometer-Bewerb bei den Kärntner Landesmeisterschaften. Danach lief er einen 30-Kilometer-Bewerb und im Oktober 1996 ging er dann wie geplant bei den Bundesländermannschaftsmeisterschaften im 80 Kilometer Bewerb an den Start. Die Strecke war sehr bergig und führte die Pferde und ihre Reiter auf den Matzenberg (1.627 m Seehöhe) hinauf. Sancho meisterte seine Aufgabe mit Bravour – und so war klar, dass er neben seiner Karriere als Kinderpony und Schulpferd auch ein bisschen Rennpony sein durfte: Sancho wurde zum Distanzpferd.

Von der Reitbahn zum Hundertmeiler
1998 lief der kleine Wallach im deutschen Isen bei den Bayerischen Meisterschaften einen – auf zwei Tage (80 und 40 Kilometer) aufgeteilten – 120 Kilometer Bewerb und erreichte den bemerkenswerten 2. Platz vor den über die Landesgrenzen hinaus bekannten deutschen Reiterinnen Heike Ganster und Belinda Hitzler. Gabi entdeckte schnell, dass in Sancho eine kleine Gemse schlummerte. Ritte, auf denen es viele Höhenmeter zu überwinden galt, entwickelten sich zu seiner Spezialität. Und so führte er die Rankings in den Berg-Cups an. Damals waren Distanzritte mit vielen Höhenmetern absolut en-vogue. Kein Wunder also, dass Sancho seinen ersten 160er im Juni 1999 im österreichischen Aigen-Schlägl lief – einer Gegend, die für ihre Berge bekannt ist.

Die WM-Quali geschafft
Beim CEI*** über 160 Kilometer im burgenländischen Riedlingsdorf, Österreich, qualifizierten sich Gabi und Sancho dann für die Weltmeisterschaften im französischen Compiegne im Jahr 2000. Dort war dem ungewöhnlichen Team aus Kärnten das Glück leider nicht so hold: Sancho hat irgendwie seltsam gefressen und ist unregelmäßig gelaufen – also habe ich ihn nach 80 Kilometern zurückgezogen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass er ein Magengeschwür vom chlorierten Wasser und dem ungewohnten Heu hatte“, erzählt seine Reiterin und Besitzerin.

Nach der WM zur EM
2001 starteten Sancho und Gabi auch bei den Europameisterschaften in Castiglione Del Lago in Italien. Gemeinsam mit Isabel Brand, einer weiteren österreichischen Reiterin, kämpfte sich Gabi durch die 160 Kilometer. Trotz der anspruchsvollen Strecke blieb dieses Erlebnis Gabi in sehr guter Erinnerung: „Die Stimmung bei den Europameisterschaften war sensationell! Dort hatte der sonst eher einsame und stille Sport plötzlich Zuschauer! Leute säumten die Strecke, winkten und jubelten uns zu, während über unseren Köpfen Hubschrauber kreisten. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis!“, schwärmt Juritz noch mehr als ein Jahrzehnt später.

Und wieder: auf zu den Weltreiterspielen!
2002 verschlug es den kleinen Hafloaraber und seine langbeinige Reiterin zu den Weltreiterspielen nach Jerez de la Frontera in Spanien. „Im Nachhinein betrachtet war das wohl das Aufregendste, das ich je erlebt habe! Wir wurden in einer staubtrockenen Gegend empfangen – und eine halbe Stunde vorm Start brach plötzlich ein Unwetter über uns herein. Die Bedingungen, unter denen diese Weltreiterspiele stattfanden, waren unvorstellbar!“, lässt Gabi nachempfinden – und man kann das Herzklopfen beinahe fühlen, das sie damals erlebt hat. „Bis Kilometer 110 ritten wir mit einem 15 km/h Schnitt, danach reduzierten wir das Tempo, um die Pferde trotz des schwierigen Geläufs sicher ins Ziel zu bekommen. Man muss sich vorstellen, die Schlammbatzen sind wie kleine Wurfgeschosse durch die Luft geflogen. Letztendlich waren Sancho und ich das letzte österreichische Pferd-Reiter-Paar, das noch im Rennen war. Also mussten Sancho und ich alleine weiter – und das trotz Nässe und Matsch. Irgendwann hatten Sancho und ich dann endlich das Ziel erreicht – die Dunkelheit war längst über uns hereingebrochen. Dass wir diese Weltmeisterschaft in der Wertung beendeten, war schlicht und ergreifend ein Wahnsinn!“, erinnert sie sich.

Teilnahme an Junioren-WM und -EM
Nach diesen Weltreiterspielen durfte Sancho seine sportliche Karriere mit Gabis Söhnen fortsetzen. 2003 startete der damals 15-jährige Stefan Juritz mit dem Hafloaraberwallach bei der Weltmeisterschaft der Junioren in Vivaro, Italien. Ein weiteres Highlight aus Sanchos Distanzlaufbahn war der Start bei den Junioren-Europameisterschaften 2006 in Zabreh na Morave, Tschechien. Auch dieses Rennen konnte Sancho in der Wertung beenden.

Noch immer unterm Sattel
Nachdem Sancho und Stefan die Junioren-Europameisterschaften in Zabreh na Morave in der Wertung beendet hatten, ging der Hafloaraber quasi in Pension. Aber wirklich kürzer treten wollte der kleine Fuchs nie. Sogar jetzt, im Alter von 28 (!) Jahren, ist Sancho noch unterm Sattel aktiv: sei es beim Spazieren- oder Wanderreiten oder bei Schnitzeljagden. Und gegen einen flotten Galopp hat er auch heute nichts einzuwenden – trotz 4.128 Wertungskilometern und noch weiteren, mehreren tausend Trainingskilometern in den vier Beinen. Beeindruckend – dieses kleine Pferdchen mit seinem ganz großen Herzen, das Herzen im Sturm erobert. Danke, Sancho für all die großartigen Leistungen, die du für den österreichischen Distanzsport erbracht hast – du bist ein ganz Großer! Von deiner Sorte dürfte es gut und gerne noch mehrere geben!
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INFOBOX
Sancho
Rasse: Hafloaraber
Geboren: 1989
Besitzerin: Gabriele Juritz
Gesamtkilometerleistung: 4.128 km
Größte Erfolge:
4 von 5 Championaten in der Wertung beendet:
2000 Start bei der Weltmeisterschaft in Compiegne (FRA) 160 km, Aufgabe.
2001 Europameisterschaften in Castiglione del Lago (ITA), 160 km, 39. Platz.
2002 Weltmeisterschaften in Jerez de la Frontera (ESP) 160 km, 52. Platz.
2003 Junioren-Weltmeisterschaften in Vivaro, Italien, 46. Platz
2006 Junioren-Europameisterschaften 2006 in Zabreh na Morave, Tschechien, 38. Platz
1996, 1998 und 1999 Kärntner Landesmeister
1998 und 1999 Sieger Bergcup sowie „zuverlässigstes Distanzpferd“ (d.h. er war das Pferd mit den meisten Wertungskilometern ohne einen einzigen Ausfall im ganzen Jahr)
1998 Isen (BRD) Bayrische Meisterschaft, 80+40 km, 2. Platz.
1998 Slope (SLO) Slowenien-Österreich-Cup, 80 km, 2. Platz (und 2. Platz im Cup).
2002 Göttingen (BRD), 120 km, 8. Platz