Lage des Distanzreitsports in Deutschland

Die Deutsche Meisterschaft im Distanzreiten 2016 liegt hinter uns. Ich hatte mich schon frühzeitig gewundert, wie wenig Informationen über diese Veranstaltung im Vorfeld zu lesen war. Ich fand keine Webseite und war mir gar nicht sicher, ob es diese Veranstaltung überhaupt geben wird (soweit meine Kritik an mangelnder PR-Arbeit.) Lediglich einen Post in Facebook konnte ich als erste Info wahrnehmen: „Die Streckenqualität von Marbach soll nicht so schlecht sein, wie man sagt und man hat nachgebessert.“ Mein Gedanke zu diesem recht späten Zeitpunkt vor der eigentlichen Veranstaltung war der, dass es wohl ein Problem mit fehlenden Teilnehmern gibt und das gab es dann auch.

Die Starterliste war einen Tag vor der Veranstaltung auf enduranceresults.info öffentlich zugänglich: Sechs, später dann sieben Starter bei der DM und fünf Starter bei der DJM – puh, das ist bitter, sicherlich auch für den Veranstalter! Was mag der Grund für diese niedrige Beteiligung sein und was kann man in Zukunft ändern, damit es wieder besser wird, waren meine Gedanken und der Anlass dafür nachzufragen, um ein Bild der Lage zu bekommen. So kontaktierte ich die 80 Starter der Deutschen Meisterschaften der Senioren seit 2010 (von denen ich Kontaktdaten hatte), welche 2016 nicht am Start waren um nach den persönlichen Gründen zu fragen. Ich war über die große Resonanz überrascht und auch über die Aussagen, aus denen man sich ein gutes Bild der derzeitigen Lage des Distanzsports in Deutschland machen kann. Die Umfrage geschah in einer Schnellaktion an einem Wochenende. Die Ergebnisse sind nicht amtlich und verbindlich, lediglich ein Stimmungsbarometer. Welche Schlüsse man daraus an offizieller Stelle zieht und ob sich für die Zukunft Änderungen ergeben, überlasse ich den verantwortlichen Stellen.

 

Erinnert ihr Euch noch an Barbara Millers Titelbild der Distanz Aktuell III/2016 mit der Titelbeschreibung „Viel Spaß auf der Little-Hill-Distanz: Nina Sepp und Bettina Fuchs-Wollmann“. Es ist ein Bild das begeistert, da es das Distanzreiten so zeigt, wie es die große Mehrheit der Distanzreiter sieht. Distanzreiten soll Spaß machen und sich mit dem normalen Leben gut vereinbaren lassen. Im Prinzip ist das die Antwort auf die niedrige Beteiligung bei der DM.

Das ist Distanzreiten 2016 in Deutschland: Nina Sepp und Bettina Fuchs-Wollmann, Foto: Barbara Miller

Das ist Distanzreiten 2016 in Deutschland: Nina Sepp und Bettina Fuchs-Wollmann, Foto: Barbara Miller

 

Andrea Baran hat es in einer Aussage genau getroffen: „Warum die Starterzahlen zurück gehen? Es gibt immer weniger Reiter-/Pferdpaare die 160 km starten (können). Das ist vielen zu anstrengend, immer mehr tummeln sich auf den KDR und MDR. Bei den wenigen die übrig bleiben ist eine Handvoll, die relativ schnelles Tempo gehen können und der Rest kann nicht mithalten. Das frustriert spiegelt aber die Gesamtsituation der deutschen Distanzszene wieder. Vielleicht sollte die DM über 120 km gehen, da könnten mehr Reiter mitmachen (siehe Schweiz).“

Und auch Marianne Retzer findet genau den Punkt: „Also ich glaube, dass die internationalen Distanzreiter gerade im „Auswechseln“ sind – von der „alten Riege“ waren doch nur Melanie und Bernhard am Start.“

Wenn wir uns die Starter auf den Deutschen Meisterschaften der Senioren der letzten 7 Jahre anschauen, dann kommen wir auf 80 (verschiedene) Reiter. Von diesen 80 Reitern sind 46 „Einmaltäter“, sie waren nur einmal dabei um die Erfahrung DM zu machen oder sie haben nach 2010 das Reiten auf DMs aus individuellen Gründen beendet. Dann wird es nach oben hin sehr dünn: 19 Reiter waren 2x nach 2010 vertreten, 9 Reiter 3x, 3 Reiter 4x (Bernhard Dornsiepen, Michaela Kosel, Birgit Vetter) und nur Regina Winiarski und Melanie Arnold waren seit 2010 5x, also fast jedes Jahr am Start. Und bei den Reitern, die mehr als 2x oder öfters seit 2010 am Start waren, nimmt die Beteiligung seit 2012 rapide ab!

Wenn auf diese Entwicklung nicht mit Maßnahmen reagiert wird, brauchen mir in der Zukunft keine Deutsche Meisterschaft mehr zu veranstalten, vielleicht findet sich hier auch in Zukunft kein Veranstalter mehr, der die Kosten und das Risiko tragen möchte. Auch an dieser Stelle noch einmal einen ganz großen Dank an Ahmed Al Samarraie für die Organisation der diesjährige Veranstaltung.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung, speziell für die geringe Starterzahl 2016. Ich habe bei den „Alt-Reitern“ persönlich nachgefragt und auf FB alle anderen Reiter vermuten lassen, woran es lag. Interessant ist, dass sich die Ergebnisse nicht exakt decken, aber eine gemeinsame Tendenz zeigen.

Viele vermuten, dass der Hauptgrund für die niedrige Beteiligung der Austragungsort Marbach ist. Dem ist nur zum Teil so. Die Strecke soll sehr hart sein, viel Asphalt haben, sehr bergig sein, außerdem liegt Marbach zu weit entfernt für die meisten Langstreckenreiter. JEIN, das ist sonicht ganz korrekt und auch nicht der Hauptgrund!

Der Hauptgrund liegt im Wandel der Distanzreiter. Es ist nicht richtig, dass sich die Masse der Distanzreiter lieber im Niedrigtempo bewegt und Mehrtagesritte machen möchte. Es ist auch nicht richtig, dass es sehr viele Distanzreiter gibt, die aufgrund der hohe Kosten und mangelnden Förderung nicht in den Spitzensport gehen. Richtig ist das, was Marianne Retzer sagt, die „alte Riege“ verschwindet langsam von der Bühne. Der Nachwuchs sieht das Distanzreiten als Spaß und als Lebensbereicherung. Aber Distanzreiten ist für die meisten nicht mehr das ein und alles. Es muss sich zeitlich und finaziell mit dem restlichen Leben gut vereinbaren lassen. Es gibt nur sehr wenige, die bereit sind, die Zeit aufzubringen um ein Pferd für einen Hundertmeiler aufzubauen. Die die es trotzdem machen, scheuen sich vor internationalen Wettbewerben oder auch einer DM, da das Tempo sehr hoch ist und die Gefahr besteht, beim Aussscheiden alles zu verlieren – viel Geld und vielleicht auch ein gesundes Pferd für die weitere Zukunft. „Dann lieber zur Heidedistanz, dieser Ritt bietet mehr Abenteuer, ist kein Hochgeschwindigkeitsritt und man kann auch vorher in der Wertung enden und ist nicht raus“, diese Anwort kam oft. Eine überwiegend große Mehrheit der Reiter ist nicht dazu bereit auf Ritten zu starten, bei denen die Belastungsgrenze des Partners Pferd vielleicht überschritten werden könnte (Stichwort „Reiten international“: Tierschutz wird in Deutschland groß geschrieben!

 


Fazit: Die Mehrheit der motivierten und sehr engagierten Distanzreiter reitet heute in Deutschland LDR bis max. 120 km, gerne leistungsorientiert aber Pferdegerecht.


 

Will man in der Zukunft eine attraktive Deutsche Meisterschaft haben, dann muss an den Stellschrauben gedreht werden: Nur sehr wenige Pferd können einen Hundertmeiler reiten, von denen, die es können bevorzugen die meisten Reiter eine andere Art von Veranstaltung, bei den Verbleibenden teilt sich das Lager in die internationalen Reiter, die höhere internationale Ziele verfolgen und sich ärgern, dass die DM kein Qualiritt ist und diejenigen Reiter, die national starten würden, denen aber die Qualifikation hierfür zu hoch ist. Es wird auch gewünscht, dass die DM kein CEI, sondern eine rein nationale Veranstaltung sein sollte. Sehr viele Reiter wünschen sich eine Deutsche Meisterschaft mit einer kürzeren Streckenlänge von 120 km, evtl. 140 km.


Was hat die Umfrage nun exakt ergeben, warum sind die Alt-Reiter nicht auf der DM 2016 gestartet? 

1. Deutlicher Hauptgrund ist das Fehlen eines geeigneten Pferdes für einen Hundertmeiler (120er würden viele Reiter starten) sowie fehlende Zeit um ein Pferd für 160 km aufzubauen.

2. Starke Kritik, dass die DM ein internationaler Ritt ist (Reglement, Kosten …), ebenfalls sehr viel Kritik, dass die DM kein Qualiritt ist.

3. Die Kosten für eine DM-Teilnahme sind zu hoch

4. Die Streckenqualität soll unzureichen sein (vom Hören und Sagen)

5. Der Anfahrtsweg ist zu weit

6. Kritik am „visionslosen VDD“, der fehlenden Gemeinschaft und dadurch fehlende Identifikation mit dem Sport

7. Persönliche Gründe (Krankheiten, Alter etc.)

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