Der 1. Distanzritt

Stundenlang reiten, in neuem, fremden Gelände, Gleichgesinnte treffen und sich dabei im Wettkampf messen. Ein Traum? Ein Distanzritt!

 

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von Silke Behling

Wer gerne mit seinem Pferd in Wald und Flur unterwegs ist, für den ist ein Distanzritt eine reizvolle Sache. Aber wie geht das? Was muss man dafür können? Wo gibt es Informationen und wo gibt es eigentlich Distanzritte? Wie sind die Startvoraussetzungen?

 

Verein und Internet

Infos über stattfindende Distanzritte bekommt man beim VDD, dem Verein Deutscher Distanzreiter.

Infos zu Distanzritten, Ausschreibungen, Seminaren und vieles mehr findet man auch im Internet unter www.vdd-aktuell.de

Generell sind Distanzreiter ein internet-affines Grüppchen. Vielleicht liegt es daran, dass wir so weit verstreut leben und man sich oft nur auf dem nächsten Wettkampf wieder trifft. So tauschen sich viele Distanzreiter im Internet im Distanzforum aus: www.distanzforum.deDort findet man nicht nur Infos zu den nächsten Ritten, sondern kann auch Fragen zum Training usw. loswerden. Ebenfalls empfehlenswert sind die Informationen, die man unter www.distanzreiten.com findet.

 

Darf ich mitmachen?

Startvoraussetzungen wie bei den klassischen Dressur- oder Springturnieren gibt es bei Distanzritten nicht. Für den Start auf einem Wettkampf braucht man kein Reitabzeichen, man muss nicht Mitglied in irgendeinem Verein sein und auch das Pferd braucht lediglich eine gültige Haftpflichtversicherung.

Dennoch darf man eventuell nicht auf jedem Wettkampf starten: Die Rittlänge wird ein wenig durch das Alter des Pferdes begrenzt – die jungen Pferde sollen vor Überforderung geschützt werden.

Übrigens: Alle Rittlängen können auch als Distanzfahrt angeboten werden.

Für den Einsteiger sind Einführungsritte ideal. Sie sollen Reiter und Pferde an die Disziplin Distanzreiten heranführen. Deshalb wird hier auch anders gewertet als bei den längeren Wettkämpfen. Es werden keine Sieger ermittelt. Es gewinnt nicht der schnellste Reiter. Bei Einführungsritten erfolgt eine Einteilung nach Leistungsklassen, und es ist sogar möglich, dass zu schnelle Reiter Strafpunkte bekommen.


Aufteilung der Klassen

Einführungsritt: 25-40 km (Mindestalter des Pferdes 5 Jahre)

Kurzer Distanzritt: 41-60 km (Mindestalter des Pferdes 6 Jahre)

Mittlere Distanz: 61-80 km (Mindestalter des Pferdes 6 Jahre)

Lange Distanz: 81-160 km (Mindestalter des Pferdes 7 Jahre)


Welches Pferd?

Distanzreiten ist die Paradedisziplin der arabischen Pferde. Araber sind sozusagen die Könige der langen Strecken. Ihr Körperbau ist auf langes, ermüdungsfreies Laufen ausgerichtet, und sie lassen sich relativ problemlos auf Ausdauerleistungen hin trainieren. Aber man braucht keinen Araber, um Spaß auf Distanzritten zu haben!

Generell sind blütigere Pferde, Pferde mit einem hohen Vollblutanteil, sicher am besten geeignet, um lange und ausdauernd zu laufen. Dazu gehören englische Vollblüter ebenso wie Traber oder Kabardiner und Achal-Tekkiner. Doch auch fast alle anderen gesunden Pferde können auf einem Distanzritt starten. Gerade auf den Einsteigerritten sieht man viele Warmblüter und Ponys. Schließlich ist das Motto der Distanzreiter ursprünglich „Alle Reiter, alle Pferde“ gewesen …

Viele der Nicht-Vollblüter sind durchaus erfolgreich auf kurzen und mittleren Strecken – bis hin zur langen Strecke. Man denke nur an das Tinkerpony Peggy, dass im Jahr 2010 erfolgreich einen Hundertmeiler absolviert hat. Und ich gebe zu, dass ich so manches Mal, als ich auf unserer Haflingerstute saß, spöttisch zu den hektisch-hüpfenden Arabern vor dem Start herübergegrinst habe: Ponys haben auch ihre Vorteile im Wettkampf (manche allerdings nur so lange, bis bei ihnen auch der Ehrgeiz ausbricht!)!

 

Araber – Könige der langen Strecke

Araber – Könige der langen Strecke

 

Kann mein Pferd das?

Jedes gesunde Pferd, das regelmäßig geritten wird, kann an einem Distanzritt teilnehmen. Regelmäßig, das bedeutet etwa 5-mal die Woche. Voraussetzung für einen Distanzritt ist nicht etwa tägliches Training von langen Strecken, sondern das Vorhandensein einer anständigen Grundkondition, wie sie durch regelmäßiges Reiten erreicht wird. Dazu gehören Dressurstunden ebenso wie Springgymnastik, das Longieren ebenso wie ein gemütlicher ein- bis zweistündiger Ausritt.

Was bedeutet gesund? Pferde mit chronischen Atemwegserkrankungen lassen sich meist sehr gut für Distanzritte trainieren. Erkrankungen des Bewegungsapparates schließen eine „intensive Nutzung“ auf einem Wettkampf meistens aus.

Sehnenverletzungen beispielsweise sollten wirklich ausreichend abgeheilt sein. Im Zweifel sollte vorher der Haustierarzt um Rat gefragt werden, ehe man zu seinem ersten Distanzritt anreist und gar nicht erst starten darf …

Die Grundkondition lässt sich mit Hilfe einer Pulsuhr für Pferde oder eines Stetoskops gut überprüfen. Je schneller der Puls nach Belastung auf den in der Regel geforderten Pulswert von 64 Schlägen fällt, desto fitter ist das Pferd.

Für Einsteiger ist der Puls, der in den Kontrollen auf einem Distanzritt kontrolliert wird, der wichtigste Parameter – und der wird dadurch ein wenig überbewertet … Herz und Kreislauf lassen sich nämlich verhältnismäßig schnell trainieren und nahezu jedes „normal“ trainierte Pferd verfügt über eine ausreichende Grundkondition.

Wichtiger ist es, auch den Bewegungsapparat an die steigende Belastung zu gewöhnen. Bänder und Sehnen benötigen etwa ein Jahr, sich an veränderte Anforderungen anzupassen. Man sollte sich also nicht von guten Pulswerten dazu verleiten lassen, sein Pferd zu überfordern – und dadurch eventuell Schäden zu riskieren.

 

Und was ziehe ich an?

Distanzreiter sind ein buntes Volk: Welche Bekleidung man wählt, ist Geschmackssache – vorgeschrieben ist die Ausrüstung des Reiters nicht, lediglich der Helm ist Pflicht. Ansonsten sollte man eher auf Bequemlichkeit, denn auf schickes Aussehen achten. Nach mehreren Stunden im Sattel werden nämlich viele gut aussehende Reithosen doch ungemütlich: sie beginnen zu scheuern.

Ideal sind Fahrradhosen oder spezielle Distanzreithosen, feste knöchelhohe Schuhe und Funktionsbekleidung.

Die Ausrüstung des Pferdes ist ebenfalls freigestellt. In keiner anderen Reitsport-Disziplin sieht man so viele unterschiedliche Sättel und Zäumungen. Erlaubt ist, was dem Pferd passt und den Atem nicht einengt. Verboten sind lediglich Hilfszügel wie das Tie-down, Ausbinder oder Aufsatzzügel, ein Martingal hingegen ist zulässig.

 

Distanzpferde tragen Decke

Distanzpferde tragen Decke

 

Großes Gepäck

Distanzreiter haben meist eine ganze Menge Gepäck. Das liegt daran, dass wir in der Regel mit unseren Pferden am Veranstaltungsort übernachten.

Man braucht also nicht nur Sattel und Trense, sondern auch Zelt, Schlafsack usw.

Für Verpflegung sorgen in der Regel die Veranstalter. Die meisten bieten auch ein Frühstück am Ritt-Tag an. Im Zweifel sollte man aber seinen Veranstalter vorab kontaktieren und nachfragen – nicht, dass doch jemand mit leerem Magen starten muss …

Für das Pferdefutter ist jeder Reiter selbst verantwortlich. Auch wenn es auf den meisten Paddocks Gras gibt, empfiehlt es sich, seinem Pferd Heu mitzubringen. Das nimmt erfahrungsgemäß viel Platz im Hänger weg – wohl dem, der große Netze mitnehmen kann oder mit einem Pferd reist und noch Stauraum im 2-er-Hänger übrig hat.

Etwas mehr als die übliche Kraftfuttermenge sollte man ebenfalls dabei haben – natürlich die Lieblingssorte, damit dem Vierbeiner auch beim Wettkampfstress der Appetit nicht vergeht.

Ideal sind Futtersorten, die sich mit Wasser anmischen lassen, falls das Pferd vor lauter Aufregung nicht trinken mag.

Was vergessen? Am besten macht man sich eine Packliste …


Packliste für das Pferd

  • Sattel
  • Trense
  • Halfter
  • 2. Satteldecke
  • 2. Paar Zügel
  • Ersatz-Bügelriemen
  • 2-3 Abschwitzdecken
  • 1 Fliegendecke
  • 2-3 wasserdichte Paddockdecken
  • 1-2 Nierendecken
  • Putzzeug
  • eventuell Notbeschlag, Hufschuh
  • 2 Tränkeimer
  • Wasserkanister
  • 2 Futtereimer
  • 2 Wascheimer
  • Paddockstangen
  • E-Band
  • Stromgerät (Batterie)

Das erste Mal

Den ersten Distanzritt besucht man am besten als Zuschauer, um sich erst Mal völlig stressfrei umschauen zu können. Ideal ist natürlich  auch ein Einsteigerseminar mit anschließendem Einführungsritt. Solche Seminare werden in ganz Deutschland von erfahrenen Distanzreitern und/oder Ausbildern veranstaltet. Infos über die Termine gibt es auf den vorher genannten Internetseiten.

Mit so einer Vorbereitung geht es einem wahrscheinlich besser als mir bei meinem ersten Ritt. Ich hatte nur ein paar Infos „vom Hören-Sagen“, irgendwie erfahren wo ein Ritt ist (Anruf: „Darf ich auch noch kommen?“) und stand dann morgens um 6 Uhr mit Pferd und Hänger irgendwo auf der schwäbischen Alb und hatte noch nicht mal Material für ein Paddock dabei …

Mich hat damals meine Hänger-Parkplatz-Nachbarin mit auf ihr Paddock genommen und wir haben unseren ersten Ritt gemeinsam absolviert.

Ohne Hilfsbereitschaft geht beim Distanzreiten sowieso fast gar nichts. Wer nämlich ohne eigenen Helfer, den sogenannten Trosser, unterwegs ist, der braucht immer mal wieder Hilfe von anderen Trossern. Trosser sind enorm wichtig, für einen Distanzreiter. Sie betreuen ihre Reiter und ihre Pferde auf einem Wettkampf, stehen an den Kontrollpunkten mit Wasser und eventuell Futter bereit, halten Decken für das verschwitzte Pferd parat und versorgen natürlich auch ihren ausgehungerten Reiter.

Wer genau wissen will, wie ein Distanzritt so abläuft, der fragt am besten einen erfahrenen Distanzreiter, ob er ihn und sein Team als Trosser begleiten darf. Dabei erhält man eine Menge Tipps für den ersten eigenen Start und die Versorgung des Pferdes.

 

Während des Rittes kontrolliert der Tierarzt...

Während des Rittes kontrolliert der Tierarzt…

 

Der Tierarzt

Auf einem Distanzritt starten darf immer nur derjenige, dessen Pferd die Tierarztuntersuchung, die sogenannte Voruntersuchung, erfolgreich bestanden hat.

Der Tierarzt prüft nicht nur Atmung und Puls des Pferdes, sondern auch den Kapilarzustand, die Schleimhäute, den Muskeltonus des Pferdes, Rücken und Gurtlage sowie die Darmgeräusche. Besonderes Augenmerk wird natürlich auch auf  die Bewegungen gelegt: starten darf nur derjenige, dessen Pferd lahmfrei ist. Bewertet werden Gangwerk, Gesamteindruck und einige der oben genannten Parameter mit Hilfe von einer Skala von A-C. Ein „C“ in der Checkkarte, beispielsweise für Lahmheit,  bedeutet den Ausschluss des Pferdes vom Wettbewerb.

Das Pferd wird nicht nur vor, sondern auch während des Wettbewerbs kontrolliert. In den Verfassungskontrollen werden in erster Linie Puls, Kreislauf, Metabolik und das Gangwerk geprüft. Nur ein Pferd, das wirklich fit und gesund ist, darf weiter am Wettkampf teilnehmen – es ist qualifiziert für den nächsten Streckenabschnitt.

Auch im Ziel wird der Puls des Pferdes gemessen und kontrolliert und bestanden ist der Wettkampf erst, wenn das Pferd ohne Beanstandungen die Nachuntersuchung absolviert hat.

 

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Unterwegs

Die Versorgung des vierbeinigen Partners auf einem Distanzritt ist eigentlich eine Wissenschaft für sich, die jeder Distanzreiter irgendwie anders auslegt … Des Einen Pferd ist genügsam und frisst in der Pause selbstverständlich das mitgebrachte Müsli, des Anderen Pferd weigert sich zu trinken und kann vor Aufregung nicht entspannen. Hier gilt es vor allem Ruhe zu bewahren und dem eigenen Pferd Zeit zur Regeneration zu geben. Trinken sollte das Pferd auf alle Fälle, was und wie viel es frisst, hängt von seinen individuellen Vorlieben ab. Bei einem Einsteigerritt sollte auf alle Fälle genügend Zeit vorhanden sein, um das Pferd langsam an die Pausen in fremder Umgebung zu gewöhnen.

Ein kleiner Tipp am Rande: Distanzreiter sind nicht ohne Grund die Reiter mit den meisten Decken: In den Pausen und nach dem Ritt sollte das Pferd unbedingt warm gehalten werden – gerade die großen Muskelgruppen an Hinterhand und Kruppe sollte man während der Pausen gut abdecken. Kühlt die Muskulatur zu schnell aus, kann sie Schaden nehmen.

Eine Nierendecke, die man im Wettkampf mitführt, ist sicher hilfreich – und bei manchen Distanzritten sogar Pflicht.

Und dann braucht man eigentlich nur noch zu reiten, den richtigen Weg zu finden und sich am Schluss ganz „doll“ zu freuen, denn:

Angekommen ist gewonnen!

 

Angekommen ist gewonnen!

Angekommen ist gewonnen!